Welche Entscheidung hast Du zuletzt getroffen? Im Laufe deines Tages kommt eine stattliche Anzahl kleinerer und grösserer Entscheidungen zusammen. Sie unterscheiden sich in der emotionalen Intensität, dem Bezugspunkt (z.b. beruflich oder privat) und der Tragweite. Nicht jede Entscheidung ist von grosser Bedeutung. Manches geht einfach von der Hand und verläuft routiniert ab, anderes braucht länger, weil die Konsequenzen weitreichender sind.
Wie werden Entscheidungen getroffen? Wie kommen sie überhaupt zustande?
Ich habe dir in diesem Blogbeitrag wesentliche Inhalte zusammengefasst und zeige auf, warum es meines Erachtens so wichtig ist, bei weitreichenden Entscheidungen sowohl mit Verstand wie auch mit Intuition zu entscheiden.
1. Auf welcher Grundlage entscheiden wir?
Es gibt verschiedene Herangehensweisen um eine Entscheidung zu treffen. Sie lassen sich grob einteilen in solche, welche wir aus dem Verstand heraus mit nachdenken treffen und emotionale "Bauchentscheidungen", bei denen wir uns von Gefühlen, Körperreaktionen, und Eingebungen leiten lassen. Diese zwei Herangehensweisen funktionieren nicht komplett unabhängig voneinander, auch wenn das im Sprachgebrauch manchmal so dargestellt wird. Es werden unterschiedliche Teile im Gehirn angesprochen, die je nachdem mehr oder weniger in Austausch stehen. So hat der Verstand z.B. weniger Einfluss auf emotionale Erfahrungen, Emotionen können jedoch den Verstand stark beeinflussen. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, haben z.B. Alice Ryba und Gerhard Roth sich wissenschaftlich damit auseinandergesetzt und zahlreiche Artikel/Bücher dazu veröffentlicht.
Meine Absicht hier ist es, dir alltagspraktisch aufzuzeigen, welche Relevanz Verstand und Intuition für deine wichtigen Entscheidungen haben und wie ein Coaching aussieht, welches beides berücksichtigt.
Ob Entscheidungen eher durch rationales abwägen oder spontane Bauchentscheidungen getroffen werden, hängt von vielen Faktoren ab. Nebst äusseren Umständen, spielen persönliche Vorlieben und Charaktereigenschaften eine Rolle. Du kannst dich an dieser Stelle gern selbst fragen, ob du dazu neigst, wichtige Entscheidungen eher verstandsmässig oder emotional anzugehen. Mit "wichtig" sind solche gemeint, die weiterreichende Konsequenzen mit sich bringen: Z.B. ein Stellenwechsel, ein berufliches Angebot, ein Umzug etc.
2. Merkmale verstandsmässiger und intuitiver Entscheidungen
Ein paar facts über die Unterschiede zwischen verstandsbasierten Entscheidungen und intuitiven Herangehensweisen hat z.B. Julia Weber im Buch ressourcenorientiertes Einzelcoaching nach ZRM in einer Tabelle zusammengefasst. Das ZRM verwendet die Begriffe "Verstand" und "Unbewusstes". Das rührt daher, dass Bauchentscheidungen, intuitive Entscheidungen, emotionale Entscheidungen etc. aus einem Bereich des Gehirns genährt werden, der uns oftmals nicht mehr oder nicht direkt zugänglich ist. Ich bleibe der Einfachheit halber dabei (und weil es keine einheitlichen Begriffe gibt), bei "Verstand" und "Intuition".
Merkmale verstandsbasierter Entscheidungen
bewusste Verarbeitung übers Nachdenken, Abwägen etc.
langsam in der Entstehung
werden dir selbst kommuniziert über Sprache
Informationen werden eine nach der anderen verarbeitet
bewertet wird nach richtig oder falsch
Merkmale intuitionsbasierter Entscheidungen
unbewusste Verarbeitung, manchmal teilbewusst
schnell in der Entstehung
werden dir selbst kommuniziert über (diffuse) Gefühle, Körperwahrnehmungen
bewertet nach weiter machen/sein lassen, mag ich/mag ich nicht
vgl. J. Weber 2021
Für deine wichtigen Entscheidungen ist das mehrfach bedeutsam. So wird sich deine Intuition immer zuerst melden. Das heisst zwar noch nicht, dass du sie wahrnimmst, aber es werden eindeutig schneller Signale gesendet. Hier wird dein emotionales Erfahrungsgedächtnis angezapft. Dort sind alle gemachten Erfahrungen, die mit stärkeren Emotionen verbunden waren abgespeichert. Auf diesen Teil des Gedächtnisses kann nicht direkt zugegriffen werden, wohl aber sind körperliche Reaktionen wahrnehmbar. A. Damasio entwickelte dazu die Theorie der somatischen Marker. Das sind diffuse Körperrückmeldungen aus dem emotionalen Erfahrungsgedächtnis. Zum Beispiel: Ein wohliges Gefühl im Bauch, ein Lächeln oder auch ein flaues Magengefühl, Gefühle von Angst, Ärger etc. Es findet eine Bewertung statt nach "gerne weiter machen" oder "sein lassen".
Wichtig zu wissen ist, dass manche gespeicherten Erfahrungen im Unbewussten zu Überreaktionen führen können. Falls z.B. eine traumatische Erfahrung erneut angestossen wird, wird sofort die Amygdala aktiv - quasi die Alarmzentrale im Gehirn. Hier wird Intuition unzuverlässig, weil ein Signal gesendet wird für eine vermeintliche Gefahrensituation. Unabhängig davon, ob sie real besteht oder nicht.
Der Verstand hingegen ist langsamer, es kann eine Weile dauern bis du eindeutige Signale bekommst. Je nach dem, wie viele verschiedene Faktoren du gegeneinander abwägen willst. Wenn du verstandsmässig etwas verarbeitet hast, kann es mittels Sprache konkret ausgedrückt werden. Das zeigt sich z.B. darin, dass du Entscheidungen begründen kannst. Weitere Stärken des Verstandes liegen im Planen, zeitlichen Einordnen, dem Abwägen von Vor- und Nachteilen u.a.. Über das Bewertungssystem "richtig oder falsch" werden Entscheidungen getroffen, die dir auch mitteilen, wie du dich verhalten sollst gemäss deinen (oder anderen) Wertvorstellungen. Hier kommst du an die Grenzen, wenn du dich in Situationen völligen Neulands befindest. Der Verstand greift auf erlerntes und erfahrenes Wissen zurück - für unbekannte Terrain ist er kein geeigneter Entscheidungsträger, weil einerseits "Material" fehlt und es zulange dauern würde, Neues abzuspeichern und dann abzuwägen.
3. Entscheide mit Verstand UND Intuition
Du siehst, es gibt gute Gründe, sowohl den Verstand "einzuschalten", wie auch auf die Intuition zu hören, wenn du eine wichtige Entscheidung treffen willst (oder musst). Wie aufgezeigt, hat jede der zwei Herangehensweisen verschiedene Eigenschaften. Da sie trotz der Unterschiedlichkeit zusammengehören, gelangst du zu mehr Nachhaltigkeit und Zufriedenheit, wenn du auch beides berücksichtigst. Solltest du ausschliesslich auf den Verstand oder auf Intuition setzt, wirst du wahrscheinlich häufiger mit Ambivalenz (Widerspruch) konfrontiert. Kommt es dir bekannt vor, dass du schnelle intuitive Entscheidung triffst, die sich später beim darüber Nachdenken als unzureichend herausstellen? Oder umgekehrt, dass sich deine gut abgewogene Verstandsentscheidung einfach nicht gut anfühlt? Beides sind Anzeichen dafür, das Verstand und Emotionen nicht im Einklang miteinander sind.
Was kannst du tun?
Treffe wenn möglich weitreichende Entscheidungen unter Berücksichtigung von Verstand und Intuition.
Achte darauf, dass es beidseitig stimmig ist - vom Verstand und vom Gefühl her.
Wenn das nicht möglich ist: Suche nach Wegen, wie du bewusst mit dieser Ambivalenz umgehen kannst.
Es ist nicht immer möglich, Ambivalenzen komplett aufzulösen. Dann ist es die Kunst mit der Ambivalenz weiterzugehen. Das ist machbar und manchmal sogar einfacher.
4. Herangehensweisen im Coaching bei Anker 11 Solothurn
Für Menschen in beruflichen und privaten Krisensituationen werden Entscheidungen oft zu einer Herausforderung. Alles scheint kompliziert. Deshalb braucht es manchmal zunächst einen Fokus auf Stabilisierung. Damit wird die Basis wiedererlangt, auf welcher ausbalancierte Entscheidungen überhaupt möglich werden. In Phasen der Aufregung und mit viel innerer Unruhe ist es meist weder machbar, klar nachzudenken, noch seine Gefühle und Körpersignale gut wahrzunehmen. Lies dazu gerne meinen Beitrag zu einer guten Verankerung in Krisensituationen.
Wenn wieder mehr Klarheit und Orientierung geschaffen wurde, können Entscheidungsfindungen angegangen werden. Im systemischen Coaching werden Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln heraus betrachtet. Die Auseinandersetzung mit Werten gehört genauso dazu, wie das Einnehmen von anderen Perspektiven und insbesondere auch die Aktivierung von Ressourcen. Für all das stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, die sowohl den Verstand, wie auch die Intuition ansprechen.
Mit systemischen Fragen, Skalierungen, Unterschiedsbildungen, figürlichen Aufstellungen, weiteren Methoden wie dem Strength Focus Stärkendetektor etc. kann verstandsmässig abgeholt werden, was bei einer Entscheidungsfindung hilfreich sein kann.
Mit systemischen Fragen z.B. in Kombination mit Bildern, seien es Bildkarten oder Metaphern, kann das Unbewusste angesprochen werden. Damit können weitere Ressourcen (wieder)entdeckt werden und somatische Marker zeigen sich. Mit all dem kann im Hier und Jetzt weitergearbeitet werden. Schau dich gerne in meiner Blogkategorie "Coaching mit Bildern" um, da findest du Beispiele von Arbeitsweisen und verwendetem Material.
Sollten sich nun im Entscheidungsergebnis Ambivalenzen zeigen, werden diese im Coaching aufgedeckt. Ich bin überzeugt davon, dass es für Widerstand einen guten Grund gibt. Ist dieser erst einmal benannt, kann meist gut damit umgegangen werden.
Schlussendlich ist es eine Frage der Balance. Entscheide mit Verstand und Intuition: Womit bist du zufrieden, womit willst du weitergehen?
Mit einem solch umfassenden Vorgehen steigt die Chance, dass du Entscheidungen triffst, mit welchen du auch noch morgen und übermorgen zufrieden bist.
Gerne beantworte ich weiter Fragen und nehme Anmerkungen entgegen. Nutze dazu das angefügte Mailformular oder das Kontaktformular.